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Wie Kinofilme „Gemeinde“ darstellen

Wie Kinofilme „Gemeinde“ darstellen

Nach der Gemeinde im Kinofilm zu fragen, heißt zu schauen, welche Grundelemente des Gemeindewesens gezeichnet werden und wie sich das konstituierende Element des Gemein-samen darstellt. Damit schließt sich die Frage an, wie das gemeinschaftliche Handeln und der Regelkodex repräsentiert wird – die Definition von Individuum und Öffentlichkeit; die Selbstauslegung des Gemeinschaftlichen durch Rituale und Abgrenzungen zum Fremden sind vom zentralen Interesse.

Natürlich gibt es Filme in der letzten Zeit, die sich dem Thema der Gemeindebildung insbesondere widmen. Ich erinnere an die Filme „Matrix“ und „Herr der Ringe“, deren Folgefilme in Kürze in die Kinos kommen.

Wie kann die Begrifflichkeit einer Gemeinde im Kinofilm adäquat abgebildet werden? Die Rede ist von der Gemeinde, die Ausdruck solidarischer Übereinkunft von verbindlichen Regeln (religiös, moralisch verankert) darstellt. Sei es eine kleine autarke Dorfgemeinde, eine eingeschworene Glaubensgemeinde oder eine durch Schicksal zusammengeschweißte „Überzeugungs-Gemeinschaft“.

Ich habe Spielfilmklassiker gewählt, die drei wesentliche Grundelemente des Gemeindewesen focusieren. In Peter Weir’s „Einziger Zeuge“ wird klar, wie fragil die Religionsgemeinschaft der Amish People; die Gemeinsamkeit hat einen hohen Preis. In „Bad Lieutenant“ wird der Gottesdienst als leeres Ritual entlarvt, der sakrale Raum der Kirche gewinnt um so mehr an Bedeutung. In dem Western „Pale Rider“ besinnen sich die Gemeindemitglieder darauf, dass es vom großen Nutzen ist, als Solidargemeinschaft aufzutreten. In dem Film „Die Nacht des Jägers“ erfährt der Zuschauer, wie einfach es ist, eine ganze Gemeinde zu täuschen.

Gemeinschaft und Authentizität des Reinen
Der einzige Zeuge (Peter Weir, USA 1984)

Der achtjährige Samuel Lapp und seine Mutter Rachel sind Amish People – eine streng christliche Religionsgemeinschaft, die zurückgezogen im Lancaster Country/ US Bundesstatt Pennsylvania lebt, strikt nach den Sitten ihrer Vorväter wie vor dreihundert Jahren: Keine Autos, keine Elektrizität und so wenig Kontakt wie möglich mit der modernen Welt, denn sie gilt als schlecht und verdorben.

Als Rachel und ihr Sohn der „bösen Welt“ einen Besuch abstatten müssen, trifft sie das Verderben um so härter: Auf der Bahnhofstoilette von Philadelphia wird Samuel zum einzigen Zeugen eines Mordes an einem Polizisten…
Die Tat ist ein Polizistenmord im wahrsten Sinne des Wortes, denn wie sich nach Samuels Identifizierung herausstellt, ist der Täter ein ranghoher Ermittlungsbeamter. Der ermittelnde Detective John Book (Harrison Ford) merkt sehr schnell, dass er einem Korruptionsskandal auf der Spur ist – und er mit seinem einzigen Zeugen in größter Gefahr schwebt. Nachdem Book schwer verletzt einem Attentat entgangen ist, bringt er Samuel und Rachel zurück zu dem Amish-Dorf und bricht dort zusammen. Die Amish People pflegen Book gesund, verstecken sein Auto in der Scheune, denn er würde alle Menschen dort in Gefahr bringen. Book bleibt nach seiner Genesung in der Gemeinde und macht sich bei der Arbeit nützlich. Als gelernter Tischler kann er mit den anderen Männern gut mithalten. Langsam findet der zynische Großstadtpolizist Zugang zu dieser fremdartigen Gemeinschaft und auch die Amishen Männer fassen Vertrauen zu ihm dank seiner handwerklichen Kompetenz.
Inzwischen haben die drei abtrünnigen Polizisten seinen besten Freund und Kollegen ermordet. Als sie im Dorf einkehren, um ihr Werk zu vollenden, haben sie nicht damit gerechnet, dass man sich mit Schrottrögen und gewaltloser Solidarität gut wehren kann.

Zur Diskussion

Am Anfang des Filmes ziehen Rachel und Samuel in die Stadt, weil sie nach der Beerdigung ihres Mannes einige wichtige Dinge erledigen müssen. Der Regisseur zeigt das Leben der Amish einerseits als Idylle, aber auch, wie das „Gesetz der Ordnung“ gerade immer wieder von den Jüngeren in der Gemeinde zaghaft unterlaufen wird.

Der Spezialist für die Darstellung von Vernunft und Zivilisation Weir macht deutlich, wie das Leben der Amish People auf die drei Grundpfeiler Gott, Familie und Landarbeit ruht. Ihre Vorfahren wanderten im 17. Jahrhundert aus der Pfalz, dem Rheinland und der Schweiz nach Pennsylvania aus. Benannt sind die Amisch nach dem Prediger Jakob Ammann, ursprünglich ein Angehöriger der ebenfalls strenggläubigen Mennoniten. Ammann hat die Bibel noch strenger ausgelegt, so wurden die Amish in Europa als Wiedertäufer und Ketzer verfolgt. Knapp 200 000 Amish leben heute in den USA und Kanada, etwa 18 000 davon allein im Lancaster County – nach wie vor mit ihrer eigenen Sprache, einer Art altdeutschem Dialekt, und nach ihren eigenen Regeln, gottesfürchtig und pazifistisch.
Das Wohnzimmer ist der Mittelpunkt jedes Amish- Hauses. Am Sonntag sowie bei allen anderen Zeremonien, wie Beerdigung, wird es zum Andachtsraum umfunktioniert. Jede Woche versammelt sich bei einer anderen Familie die gesamte Gemeinde zur Andacht. Eine Kirche gibt es nicht – die Amish versagen sich jeder „unnötigen Eitelkeit, darunter zählt ein Gotteshaus, wie Bilder, Teppiche, Musik oder bunte Kleidung. Genau diese Dinge bringt Book „mit ins Haus“. Die zarte Annäherung zwischen der Witwe und dem fürsorglichen Großstadtpolizist wird von der Gemeinde argwöhnisch beobachtet. Der Vater warnt seine Tochter Rachel, sich Book zu nähern, nachdem er die beiden zu einem Oldie-Hit aus dem Autoradio tanzen erwischt hat. Der Regisseur legt es aber nicht darauf an, eine oberflächliche Eskalation zwischen den Welten zu zeigen. Wenn Book gemeinsam mit den anderen Männern eine neue Scheune errichtet, scheint die Kluft zwischen den beiden Lebensformen überbrückbar. Doch wenn Book, eingezwängt in die schlichte Alltagskleidung der Amish, sich im Spiegel betrachtet und den Amish, die durch jugendliche Städter in Bedrängnis geraten sind, auf seine schlagfertige Art zu Hilfe kommt, wird deutlich, dass er sich niemals auf die Religionsgemeinschaft einlassen wird.

Book, der Großstadtpolizist ist nicht nur angetan von der Authentizität und Ursprünglichkeit. Der Regisseur findet für das Gefühl, der ursprünglichen Reinheit nahe zu sein, eine mythische Entsprechung: Im Bild der Mutter des kleinen Zeugen. Der von der städtischen Brutalität geprägte Mann ist völlig vom Bild der Madonna gebannt. Rein ist sie, weil sie sich zur Aufgabe gemacht hat, das Gesetz ihrer Gemeinde zu bewahren; rein bleibt sie, auch nachdem sie ihm von ihrer geheimnisvollen für eine Nacht Anteil werden lassen. Es war irdisches Begehren. So ist dem Großstadtmann die Katharsis geblieben. Im Amischen Land hat er zu seinen Wurzeln zurückgefunden; er stellt sich dem Polizeiapparat angereichert zur Verfügung, seine moralische Beharrlichkeit ist die einzige Waffe gegen Korruption und Entfremdung.

Bereits in früheren Filmen beschäftigte sich der 1944 in Sydney geborene Autor, Regisseur und Produzent mit dem Zusammenprall von moderner Zivilisation und älteren, scheinbar unterlegenen Kulturen, Traditionen und Religionen. Das waren in seinen australischen Arbeiten vorwiegend die Mythen und Riten der Aborigines, der Ureinwohner des Kontinents, und auch für sein Hollywood-Debüt fand Weir jene Bevölkerungsgruppe, die Amish People, an der sich sein Thema festmachen ließ.

Einsame Spiritualität auf den Kirchenstufen
Bad Lieutenant (Abel Ferrera, USA 1992)

Der Lieutenant, ein New Yorker Polizeioffizier, steht am Abgrund seiner Existenz: Er ist drogenabhängig, dealt mit beschlagnahmtem Crack, hangelt sich mit seinen vom Buchmacher unablässig geborgten Wettgeld durch den Tag und belästigt junge Frauen. Er hat eine Frau und Kinder, um die er sich nicht kümmert; wenn er zu Hause ist, befindet er sich sowieso mehr im Rauschzustand. Aber er ist von einem innigen Katholizismus geprägt, der Gang in die Messen findet aufrecht statt. Eines Tages erfährt er in seinem Wohnviertel, dem Spanish Harlem, von einem für ihn unfassbaren Verbrechen: Eine junge Nonne wurde in der Kirche auf dem Altar von zwei Jugendlichen vergewaltigt.
Es gelingt ihm, die Täter zu ermitteln. Obgleich die Mafia des Viertels eine hohe Belohnung zur Ergreifung der Täter ausgesetzt hat und er mit einem Schlag seine Spielschulden begleichen könnte, entscheidet sich der Lieutenant für einen anderen Weg: Er gibt den beiden jungen Männern das Geld und setzt sie in einem Überland-Bus. Das Leben des Bad Lieutenant wird von zwei Schüssen eines Killers vom Buchmacher beendet.

Zur Diskussion

Der in der Bronx aufgewachsene, gläubige Regisseur Abel Ferrera thematisiert den Erlösungsweg des Bad Lieutenant als ein außerhalb des Gemeindewesen stattfindenden. Noch nie wurde in der Filmgeschichte ein Mensch so verzweifelt, so einsam, so erlösungsbedürftig gezeigt und noch nie wurde dem leeren Kirchenraum solch eine Bedeutung zugesprochen.

Die Darstellung der tiefen Verzweiflung des Bad Lieutenant findet auf den Treppenstufen, wo die Nonne vergewaltigt wurde, ihren ersten Höhepunkt.
„Wo warst Du?“ und „Ich bin so verdammt schwach, hilf mir!“ schreit er dem vom Kreuz herabgestiegenen Christus entgegen. Aber seine Frage nach Erlösung und die Bitte nach einem besseren Leben bleiben unbeantwortet. In seinem Verzweiflungswahn meint der Bad Lieutenant die Füße des vom Kreuz Gestiegenen zu küssen. Aber es sind die Füße einer alten, verwirrten Frau. Er schreit das Gefühl vieler Christen, das „In-der-Welt-verlassen-Sein“ heraus.

Im Gegensatz werden in der besetzten Kirche während der Messe Wettgeschäfte abgewickelt. Nicht im Gottesdienst erfährt der Bad Lieutenant Heil und Segen, sondern in der ganzen Einsamkeit dahingeworfen auf den Boden des Altars.

Dämon Fallen – Wie der Dämon seinen Weg findet

Dämon Fallen – Wie der Dämon seinen Weg findet

Immer wieder beschäftig die Ursache alles Bösen Künstler und Filmemacher. Schon 1996 hat der amerikanische Fernsehregisseur in seinem Spielfilmdebut Primal Fear (Zwielicht) die Erscheinung des Bösen in den Mittelpunkt gerückt. Richard Gere spielte einen zynischen Anwalt, dem es immer egal war, ob sein Mandant schuldig war oder nicht, sondern der nur darauf bedacht war, Fälle zu übernehmen, die er als „Unschuldig“ inszenieren konnte. Aber er wurde vom Schicksal eines besseren belehrt. Als er zum erstenmal von seinem Mandanten gerührt war und zu glauben begann, daß sein Mandant, ein Priestermörder, unschuldig wäre, mußte er erkennen, daß er einem grausamen und kalkulierten Psychopathen zum Freispruch verholfen hat. Weder schwarz noch weiß war das Bild der menschlichen Existenz, das Hoblit zeichnete, sein dialogreicher Film war von tiefgründiger Melancholie durchdrungen.

Dämon ist nun visuell, ein Film ganz und gar für das Kino gemacht und hat leider nicht sein Publikum gefunden. Denzel Washington spielt den aufrichtigen Polizisten John Hobbes, der gerade einen sehr wichtigen Fall abgeschlossen hat. Ein Serienkiller konnte überführt werden und nun ist Hobbes Zeuge der Hinrichtung des Killers. Der aber verhöhnt seine Umwelt und behauptet, daß die Morde kein Ende nehmen würden. Eine neue Mordserie, die die Handschrift des Hingerichteten trägt, beunruhigt John Hobbes. Der Mörder hinterläßt auf den Opfern Buchstaben, sozusagen stellt er ihm ein Rätsel. Um so mehr Tote der Polizist vorfindet, desto näher kommt er an des Rätsels Lösung. Dabei muß er sein auf die Vernunft gegründetes Weltbild zur Seite stellen und sich mit den Anfängen der menschlichen Zivilisation und ihren Urkräften auseinandersetzen. Die im Film mit stimmigen alttestemantarischen Zitaten beschworene Urkraft des Bösen hat tatsächlich in allen Kulturen der Welt unterschiedlichste Gesichter, aber sie zielt immer nur auf das Eine: Auf das Unheil des Menschen und den Sturz der Aufrichtigen.

Die archaische Urgeschichte wurde konsequent bis ins kleinste Detail erzählt: Es wurden optisch unverbrauchte Schauplätze gewählt, städtische Orte, genauso wie unwegsame Regionen in der Natur, die aber gemeinsam daraufhin deuten, daß sie schon seit langem existieren. Der Film macht spürbar, im Herbst und Winter befindet sich der Mensch, ihm fallen wenig Worte ein und er wird geichermassen von der Landschaft wie von der Metropole verschluckt. Die kafkaese Situation ist die aller Menschen. Sie sind hineingeworfen in ihre Welt, sie tun Gutes, sie tun Schlechtes. Die meisten Menschen fühlen sich davon verfolgt, das Falsche zu tun, denn grundsätzlich sind sie gut. Manche sind aber empfänglich für die Macht, die ihnen verheißt, das Böse zu tun. Von einem zum anderen kann diese Macht weitergereicht werden und es ist dann so, daß aus einem im Grunde gutmütigen Menschen jemand mit einer fremden, zerstörerischen Sprache spricht und ihn Dinge tun läßt, die er lieber nicht getan hätte. Sehr sehenswert und hoffentlich bald wieder im Kino.

Auf der Jagd

Auf der Jagd

Chief Deputy U.S. Marshal Samuel Gerard (Tommy Lee Jones) und sein Team lehren Verbrecher und anderen zwielichte Gestalten das Fürchten. Ihre Aufgabe besteht darin, flüchtige Kriminelle aufzuspüren und zu überführen oder großangelegte Gefangenentransporte zu begleiten.

Der Chief muß einen Flug von Chicago nach New York überwachen. Am Bord der Boeing befindet sich in der Gefangenentruppe ein unerkannter CIA-Spezialist, Mark Roberts (Wesley Snipes), dem wegen Doppelmordes in New York der Prozeß gemacht werden soll. Leider wurden der Chief und sein Team nicht über die wahre Identität des Häftlings aufgeklärt. Die Sicherheitsmaßnahmen hätten dann ganz anders ausgesehen. So wird aus dem Routineflug der Beginn einer langen und ereignisreichen Jagd. Am Bord der Boeing befindet sich ein Mithäftling, der auf den unschuldigen CIA-Agenten das Feuer eröffnet. Dabei reißt die Kugel, die für Mark bestimmt war, ein Loch in das Heck des Flugzeuges. Die Piloten können das Flugzeug zwar notlanden, rutschen dabei aber in die Strömung des Ohio River. Den anwesenden Polizisten und dem Chief gelingt es, die meisten Häftlinge aus dem Wrack zu retten. Mark Roberts befreit sich aus den Handschellen und sucht das Weite. Das inzwischen eingeflogene U.S. Marshal Team setzt sich mit dem Chief auf die Fährte des Flüchtigen. An die Seite des Chief Deputy wurde ein zwielichter Secret-Service-Agent (Robert Downey Jr.) abkommandiert. Die stunt-betonte Jagd läuft quer über die Sümpfe nach New York City, wo der besessene Chief nicht nur Mark erwischt, sondern auch den wahren Kriminellen dingfest machen kann.

Auf der Jagd lehnt sich ganz bewußt an die erfolgreiche Kinoadaption Auf der Flucht des gleichnamigen Fernsehserien-Straßenfegers an. Auch damals war Tommy Lee Jones der Marshal, der einen zu Unrecht verurteilten Sträfling, Dr. Kimble (Harrison Ford), durch die USA gejagt hat. Die Nebenrolle des Marshals wurde mit einem Oskar ausgezeichnet, während Harrison Ford leer ausging. So lag es nahe, Tommy Lee Jones diesmal in den Mittelpunkt zu stellen. Aus der Fortsetzung des Stoffes wurde ein routinierter Actionfilm, von einem routiniertem Team vor und hinter der Kamera.